Entstehungsgeschichte der Görlitzer Kreisbahn
Im Zuge des allgemeinen Wirtschaftsaufschwunges Ende des 19.Jahrhunderts entwickelten sich auch die westlich von Görlitz um Königshain gelegenen Granitsteinbrüche, in denen seit 1770 der Abbau erfolgte, weiter. Der Bedarf an Granit für Brückenbau, Straßenpflasterung und Gebäudefundamente nahm stark zu. Jedoch war der Transport mit Pferdefuhrwerken teuer, umständlich und vor allem territorial beschränkt. Für die in der Landwirtschaft erzeugten und benötigten Produkte stand das Problem gleichermaßen. Auch der Verkehr nach Görlitz zu den Verwaltungsstellen, zur Industrie als Arbeitsstelle und zum Handel, nahmen ständig zu. Deshalb war es nicht verwunderlich, daß bereits 1888 erstmalig von den Steinbruchbesitzern Eingaben zu einem Bahnbau erfolgten. Bis zum Baubeginn am 1.Dezember 1903 mußten jedoch viele Hindernisse Überwunden werden. Auf Grund der vielen Gesichtspunkte, wie kürzester Anschluß zu Staatsbahnen, Berücksichtigung der Intressen von Steinbruchbesitzern, der Bauern und der Stadt Görlitz, sowie technische Belange der Trassenführung, standen mehrere Linienführungen zur Diskussion.
Schließlich entschied man sich jedoch für eine Strecke Görlitz-Weißenberg. Da die Bausumme, veranschlagt von der Firma Lenz & Co., 2.11400 Mark betrug, mußte eine Aktiengesellschaft gegründet werden, um Mittel aufzubringen. So entsatnd am 20.Juli 1903 die Görlitzer Kreisbahn AG€. Die genannte Summe galt aber nur für den Bau bis Krischa-Tetta (zuletzt Buchholz), da die letzten 4,6km auf sächsischem Gebiet verlaufen und dafür von Preußen kein Geld genehmigt wurde. Außerdem war in Sachsen der Bau normalspuriger Privatbahnen nicht gestattet. Nach 18 Monaten Bauzeit kann am 12.03.1905 die landespolizeiliche Abnahme der Teilstrecke bis Königshain vollzogen werden.
Ab 20.03.1905 wird auf dieser Strecke der Güterverkehr aufgenommen. Am 27.05.1905 findet auch die baupolizeiliche Abnahme der restlichen Strecke bis Krischa-Tetta statt. Den Personenverkehr eröffnet am 31.05.1905 ein Sonderzug mit geladenen Gästen. Die Verhandlungen mit Sachsen ergaben, daß zum 17.Dezember 1913 die Strecke bis Weißenberg ebenfalls fertiggestellt werden konnte. Im selben Zeitraum wurden auch die Industrieanschlüsse im Bereich der Rauschwalder Straße, der Cottbuser Straße und An der weißen Mauer für 12 Betriebe geschaffen.
In den zwanziger Jahren ist die Gö.Kr.B. starkem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Lastautos, mit denen Kunden frei Haus beliefert werden, nehmen stark zu. Auch der Kraftverkehr Görlitz vergrößert seinen Wirkungsbereich und wird zur ernsthaften Konkurrenz. 1929 erwägt Lenz & Co den Betrieb eigener Autolinien. (damals wie heute-das gleiche Problem der Bahn.) Haupttransportgüter sind zu 60% Steine aus den Granitsteinbrüchen bei Arnsdorf und Hilbersdorf. Die Steinbruchfirma Rudolph transportiert mit einer eigenen 600mm-spurigen Werkbahn die Granitsteine zu dem Bahnhof Königshain-Hochstein. Dort werden die Steine in Regelspurwagen der Gö.Kr.B. umgeladen. Sogar gewaltige Einzelsteine für Hafen- und Schleusenanlagen, speziell für den Leuchtturm von Kap Arkona, werden über die Gö.Kr.B. abgefahren. Daneben werden land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse nach Görlitz transportiert, unter anderem jährlich 20-30 Waggons Holz ab Königshain und Hilbersdorf. Jahrzentelang sorgte die Gö.Kr.B. für den Zeitungsvertrieb auf das Land und den Milchkannentransport zur Görlitzer Molkerei.
Die Erweiterung bis Weißenberg/Sachsen
Die Umgestaltungen der Gleisanlagen am Bf Görlitz zwischen 1907 und 1915 bleiben nicht ohne Auswirkung auf die GöKrB. Am 01.11.1909 wird der Betrieb auf dem Verschiebebahnhof Schlauroth aufgenommen. Auf dem ehemaligen Staatsbahngelände entsteht 1912 das Empfangsgebäude für die Gö.Kr.B. Inzwischen hatten ja auch die Verhandlungen mit Sachsen zu dem Erfolg geführt, daß bis 1913 die restliche Strecke von 5,1km bis Weißenberg verlängert wird. Nachdem der Bau einer eisernen Bogenbrücke Über die Löbau und der Durchstich eines Kiesberges bei Wasserkretscham erfolgt sind, wird die Strecke nach elf-monatiger Bauzeit am 12.10.1913 landespolizeilich auf dem sächsischen und einem Tag später auf dem preußischen Teil abgenommen. Am 16.12.1913 verkehrte ein erster Sonderzug. Am Folgetag wurde dann der reguläre Betrieb aufgenommen. Damit hat die Stadt Weißenberg ihren dritten Bahnanschluß (31.07.1895 Löbau-Weißenberg, 10.11.1903 Baruth-Weißenberg). Die mehrfach diskutierte Übernahme durch die Reichsbahn scheiterte an den zu hohen Kosten für eine Nachrüstung mit den Standarts der Staatsbahn. Als Privatbahn hingegen gilt die Gö.Kr.B. als die bestgeführte Kleinbahn im Rbd-Bezirk Breslau.
Nach dem zweiten Weltkrieg, am 18.07.1945, wurde abermals bei der Rbd Dresden wegen einer Übernahme der Gö.Kr.B. verhandelt. Da die Reichsbahn eigene Sorgen hat und das Geld knapp ist, lehnt die DR ab. Am 19.09.1945 faßte die Gefolgschaft den Beschluß, bei der Rbd Dresden die Verstaatlichung zu beantragen. Ab 13.02.1946 übt der Reichsbahnbevollmächtigte für Bahnaufsicht in Cottbus die Kontrolle aus, ohne daß eine Änderung in den Besitzverhältnissen eintritt. Am 31.06.1946 weist sich Hugo Wagener als Bevollmächtigter der Landesverwaltung Sachsen, Amt für Betriebserneuerung im Ressort Wirtschaft und Arbeit, aus und erklärt Vorstand, Aufsichtsrat und Aktiengesellschaft als aufgelöst. Als jetzt landeseigene Bahn untersteht die Gö.Kr.B. ab 01.01.1947der Deutschen Zentralverwaltung für Verkehr und wird bereits von der Rbd Dresden verwaltet. Die tatsächliche Übernahme der Deutschen Reichsbahn erfolgt erst am 11.05.1948. Mit der Neuordnung der Rbd-Bezirke 1955 gehört die Gö.Kr.B. nun zur Rbd Cottbus.
20 Jahre verkehren die Kreisbahnzüge (DR Kursbuchstrecke 242) noch bis Weißenberg. Die zunehmende Motorisierung läßt die Fahrgastzahlen schrumpfen. Als dann noch die Arnsdorfer und Hilbersdorfer Steinbrüche den Abbau einstellen, beschließt die Rbd Cottbus die Einstellung, zunächst bis Königshain-Hochstein. Am 30.09.1972 gibt der Fahrdienstleiter Tittel in Weißenberg den letzten Abfahrauftrag für den P 3814 (ab 17.56 Uhr) nach Görlitz. Bereits schon seit dem vorigen Fahrplanwechsel am 27.05.1972 verkehrten die letzten Reisezüge zwischen Löbau und Radibor vom Bahnhof in Weißenberg. Somit ist Weißenberg nach 77 Jahren wieder ohne Eisenbahnanschluß. Den Personenverkehr übernimmt der VEB Kraftverkehr.
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